Institut für Sozialanthropologie

Exkursionen

Indonesien 2019

Exkursion nach Labuan Bajo Juni/Juli 2019

Das Institut für Sozialanthropologie führte 2019 bereits zum zweiten Mal eine Exkursion in Indonesien durch – in diesem Jahr organisiert von Heinzpeter Znoj, Simon Weber, Cyprianus Dale und Rahel Jud.
Der Archipelstaat Indonesien besteht aus über zehntausend Inseln, eine davon ist Flores. In Labuan Bajo, der Hauptstadt von Flores, auch bekannt als die Stadt der Sonnenuntergänge, traf am 22.06.19 die Exkursionsgruppe unseres Instituts ein.  

Labuan Bajo, lange Zeit ein ruhiges Fischerdorf, hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Ausgangspunkt für viele touristische Reiseziele entwickelt. Dies liegt unter anderem auch daran, dass Labuan Bajo von der indonesischen Regierung zu einem der touristischen Zentren im «Ten New Bali Project» erkoren wurde. Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Initiative zur Einrichtung von zehn neuen Tourismuszentren, um den wirtschaftlichen Aufschwung durch den Tourismus in Bali landesweit zu multiplizieren. In der Stadt der Sonnenuntergänge wird daher seit 2016, seit der Lancierung des Projektes, viel Geld in den Bau von Einkaufszentren investiert, die Ausbesserung von Strassen stark vorangetrieben und Hotels schiessen wie Pilze aus dem Boden. Wie extrem diese Entwicklung ist, konnten wir vor Ort miterleben: Bei unserer Ankunft gab es noch keine globalen Ladenketten, bei unserer Abreise, drei Wochen später, hatte der erste Starbucks seinen Betrieb bereits aufgenommen.
Diese rasante Entwicklung und die übereilten Investitionen haben grosse Nachteile: Die lokale Bevölkerung sieht sich im Namen der wirtschaftlichen Entwicklung eines riesigen Umweltproblems ausgesetzt, dem steigenden Müllaufkommen, das zu einer drastischen Zunahme der Grundwasserverschmutzung führt, sowie Landveräusserungen und Zwangsräumungen in den Küstengebieten.

Während der ersten Tage der Exkursion waren diese rasanten Transformationsprozesse in der Region um Labuan Bajo unser Fokusthema: So diskutierten wir mit der lokalen NGO Sunspirit über die sozio-ökonomischen Veränderungen auf Flores und tauschten Ideen zu verschiedenen Forschungsvorhaben aus. Wir besuchten ein Fischerdorf im Komodo Nationalparkgebiet  und hörten von ihren Erfahrungen mit und Sorgen rund um den zunehmenden Tourismus in der Region. Und wir nahmen an einem Vortragsabend von lokalen Aktivist*innen teil. Das abendfüllende Thema: Eine neue Gesetzgebung, welche den Landkauf durch private Investor*innen ermöglicht und Landenteignungen begünstigt.

Neben dem angeregten Austausch, der geistigen Nahrung, kam aber auch die Auseinandersetzung mit der regionalen Küche nicht zu kurz. Wir verköstigten uns di pasar, di warung, atau di restoran (auf dem Markt, an Essensständen oder im Restaurant) mit mie goreng, gado-gado, rendang (gebratenem Nudelgericht, rohem Gemüse mit Erdnuss-Sauce, scharfem Rindfleischgericht) und vielem mehr.

Nach dieser Zeit machten sich die sechs Studierenden in Zweier-Gruppen mit dem bemo, ojek atau taksi (Mini-Bus, Motorradtaxi oder Taxi) auf den Weg zu ihren Gastfamilien in die nähere oder weitere Umgebung der Hauptstadt – nach Wae Sano, Cecer und in ein Stadtviertel von Labuan Bajo selbst. Dort bot sich ihnen während zweieinhalb Wochen die Gelegenheit, erste Kurzforschungen zu einem selbst gewählten Thema durchzuführen. Die Studierenden erforschten die folgenden Themen und fassten in diesem Zusammenhang erfolgreich ihre Forschungs- bzw. Bachelorarbeiten ab:

  • Wae Sano: Joëlle Ackermann forschte zu gelebtem, medizinischem Pluralismus und den Einflussfaktoren bei medizinischen Entscheidungen. Sarah Wimmer untersuchte am Fallbeispiel eines Geotermieprojeketes Argumentationweisen von Protestbewegungen gegen erneuerbare Energiegewinnungsprojekte.
  • Cecer: Belinda Bösch und Vanessa Widmer führten Feldforschungen zur Innen- und Aussenwahrnehmungen der Ökotourismusdestination Cecer durch und gingen den Konzepten Authentizität und Nachhaltigkeit auf den Grund.
  • Labuan Bajo: Kurt Zurfluh und Nimal Bourloud forschten zu Symbolen im Kontext der alltäglichen Benutzung von Verkehrsmitteln auf Flores und analysierten deren zugrundeliegende Bedeutung. Ihre Forschungserkenntnisse können auf ihrer dafür eigens entwickelten Webseite eingesehen werden: https://sites.google.com/prod/view/bemo-et-al/

Zum Abschluss der Exkursion trafen alle wieder in Labuan Bajo zusammen, um gemeinsam ihre Forschungen zu reflektieren. Unterdessen hatte in der Hafenstadt die Militärpräsenz stark zugenommen. Eines Abends, im glühenden Abendrot des berühmten Sonnenunterganges, bestätigten sich dann die Gerüchte. Die Polizei fuhr durch die Strassen und informierte, dass am morgigen Tag der Präsident Indonesiens, Joko Widodo himself, in Labuan Bajo eintreffe und ermahnte die Bevölkerung sich doch für die Tage seiner Anwesenheit zu benehmen. (Man stelle sich vor, die Polizei würde durch die Strassen von Bern fahren und der Bevölkerung Verhaltensvorschriften erteilen. Was dies wohl für Reaktionen provozieren würde? Item.) Jokowi, wie er auch genannt wird, genoss bei seiner Ankunft das Bad in der Menge, verteilte in bester Rockstar-Manier seine «I love Indonesia»-T-Shirts, um dann für die nächsten Tage im Luxus-Hotel eines guten Freundes zu verschwinden, für dessen Eröffnung er angereist war.

Mit vielen Erlebnissen reicher hiess es dann für uns Abschied nehmen von Flores: Unsere Gruppe teilte sich auf, die einen traten die Heimreise an und die anderen hüpften weiter von Insel zu Insel. Selamat jalan dan hati-hati!

Ein Bericht von Rahel Jud